Sonntag, 17. Juli 2011

Sonntagsbesuch

Es gibt Orte, an denen sich Erwachsene über Windeln und Schlaflagerungen unterhalten. Wo man auch hinsieht geht es um die richtige Ernährung, Kompetenzförderung, Durchschlafen, Sprachentwicklung und Pflege. 
Mit 23 gehört man da schon mit Abstand zu den Jüngsten in diesem illustren Kreisen. Nicht selten werde ich von den Alten, die die Hochaltrigen besuchen, seltsam beäugt oder verständnissvoll (zumindest vermute ich das), ja fast mitleidig angelächelt. Wie muss es sich für diese Menschen "in der nachberuflichen Lebensphase" sein muss, schon vor dem eigenen Bedarf diese Einrichtung so oft besuchen zu müssen?
Auf dem Weg zu dem inzwischen doch recht vertrauten Raum komme ich immer an dem Einzelzimmer von Frau Niemand vorbei. Die Tür ist immer zu. Man hört nie tewas aus diesem Zimmer. Die Schwestern eilen meist mit einem Schiebewagen voller medzinischem Gerät in dieses Zimmer. Frsu Niemand scheint nie Besuch zu haben. Weder sieht man sie, noch gibt es überhaupt eine Art Lebenszeichen von ihr.
An meinem Ziel angekommen, sehe ich eine Frau, die im komplett stillen Raum still aus dem Fenster sieht. Es regnet draußen ganz leise. Diese Frau, die ich hier regelmäßig besuche wartet den ganzen Tag auf nichts anderes als auf ihren Besuch. Alle anderen Bewohner sind für sie fremd und seltsam. Sie könne mit niemandem reden, doch wenn einer von uns da ist redet sie, weint sie und fragt viel. Immerwieder das gleiche. Alles abstrakte, alles was sie nicht direkt (be)greifen kann versteht sie nicht und macht sie zornig und manchmal richtig böse.
Im Grunde fühlt sich diese Frau nur allein. Sie ist verwirrt. All die Dinge, die sie nicht mehr versteht machen ihr Angst und schüchtern sie immer mehr ein, bis sie sich gar nichts mehr traut. Jedes mal erzählt sie mir, dass sie weder Kraft noch Lust hat. Wozu brauche ich nicht zu fragen. Es geht trotzdem weiter.
Sofern ich das beurteilen kann, sind alle hier sehr nett zu ihr. Die Schwestern geben sich Mühe, andere Bewohner kennen izwischen sogar uns und fragen nach dem Wohlbefinden. Und trotzdem ist das Gefühl nicht fremd: sich inmitten einer wohlwollenden Menschenansammlung komplett einsam zu fühlen. Der Lichtblick jedes Tages sind die Besuche der Vewandten ersten Grades. In den anderthalb Stunden mit ihnen werden dann ale Facetten menschlicher Kommunikation, die noch möglich sind abgeklappert. So gut es eben heute geht. Morgen kann es schon wieder ganz anders aussehen...
Auf dem Weg nanach draußen komme ich wieder am Zimmer von Frau Niemand vorbei. Die Tür ist immernoch zu. Von drinnen höre ich eine Schwester mit jemandem sprechen. Sollte ich nach ihrer Wortwahl beurteilen mit wem sie da redet, würde ich auf einen Säugling tippen...

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