Der 1. Februar 2008
Dieses jahr hatte schlecht begonnen. Schon 16 tage nach beginn hatte es einen trauerfall in meiner familie gegeben, der verstorbene war einen tag vor seinem 60. geburtstag tot aufgefunden worden. 2 wochen tiefster trauer seiner angehörigen und unzähligen unterstützenden tätigkeiten später sollte heute nun die trauerfeier mit anschließender urnenbeisetzung sein, die, auf wunsch seiner schwester und mutter, öffentlich war. Mir wollte niemand so richtig glauben, dass viele leute kommen würden und so waren sie alle recht überrascht den parkplatz des friedhofs so voll zu sehen.
Ich kannte weniger als ein viertel der leute, doch erfüllte es mich mit stolz zu sehen, wie viele menschen dem verstorbenen die letzte ehre erweisen wollten. Ich hätte mir lieber zeit genommen um den ganzen menschen, die gekommen waren, einen teil meiner aufmerksamkeit zu schenken. Wer waren sie? In welcher verbindung standen sie zu dem verstorbenen?, doch die oberste priorität dieses tages war die gleiche, wie die der letzten zwei wochen: seine engsten angehörigen waren vom störenden abzuschirmen, zu stützen und zu beschützen.
Seine mutter saß in einem rollstuhl, da sie es nicht ausgehalten hätte die ganze zeit laufen und stehen zu müssen- sie war in ihrer trauer gebrochen und es war kaum ein durchkommen zu ihr. Seine schwester lief umringt von ihrer familie, in dem versuch sie zu beschützen und ihr wärme zu geben, die sie in diesem moment nicht hätte ertragen können.
Es mutete eigenartig an, an der spitze des gesamten trauerzuges über den gesamten friedhof bis hin zur trauerkapelle zu laufen. Normalerweise genieße ich die atmosphäre, die sich über friedhöfe legt. In meinem empfinden war es immer so eine art stille seeligkeit. Doch mit meinem ersten schritt durch das tor des friedhofs legte sich ein gewicht auf meine seele.
Die trauergemeinde ging langsam, fast zögerlich, als traue sich keiner den anderen voran zu gehen und jeder nur auf des anderen schritte wartete. Es dauerte gefühlte zwanzig minuten bis alle, die sich setzen wollten, sich hingesetzt hatten und bis die, die sich an ihrem platz unwohl fühlten einen nach ihrem gutdünken besseren platz gefunden hatten. Während der ganzen zeit lief das lied ‚hinter dem horizont’ von udo lindenberg. Schlichtweg hohn in meinen ohren.
Die rede der trauerrednerin war von seiner schwester vorher schon stark eingeschränkt worden und trotzdem schaffte diese frau es ihre schwarz beschuhten füße in einige kleinere fettnäpfchen zu setzen. ‚sie, frau christa schildhauer, liebe mutter, erinnern sie sich noch wie es war, ihren sohn das erste mal in den armen zu halten?’ wie kann man denn bitte eine mutter an die geburt ihres sohnes erinnern wenn sie gerade in begriff ist, diesen zu grabe zu tragen? Die rede dauerte, obwohl sie die zwölfminutengrenze nicht überschritt, lang und barg noch einiger solcher schnitzer in sich und wurde zudem von weiterer musik, diesmal klasisch, unterbrochen. Mein herz jedoch verlangte nach anderem:
ES REICHT! SCHLUSS! AUFHÖREN! GENUG GEREDET! Es waren der worte zu viele gefallen, die angehörigen und der verstorbene selbst zu oft adressiert worden- ein gräuel. Doch hätte kein trauerredner der welt mich in diesem moment zufrieden stellen können, ich, die ich in diesem moment beschlossen hatte, meine trauerrede profilaktisch selbst zu schreiben!
Nach der rede und entsprechender aufforderung erhoben sich alle. die kinder, die frau, die schwester und die mutter des verstorbenen, die es während der rede vor trauer immer wieder haltlos geschüttelt hatte, gingen nun allen voran zum urnengrab. An sich lief alles wie erwartet ab, alle anwesenden, allen voran natürlich die engsten angehörigen, legten je eine blüte vor dem grab ab und griffen mehr oder minder tief in das streukörbchen. Ich wählte nur eine einzige blüte und stellte mich dann wieder zu den meinigen um meinen aktuellen prioritäten nachzukommen.
Die anteilnahme dieser verschiedensten leute rührte mich fast zu tränen, der einzige moment dieses tages, an dem ich fast geweint hätte. Doch hatte ich mir fest vorgenommen dies nicht zu tun, denn an diesem tag galt es nicht mich zu stützen und zu trösten, mein leid stand dem derer, die ich zu unterstützen suchte, hinten an, denn mein verlust war geringer. Man möchte sich ja fast schämen nicht so direkt betroffen zu sein, nicht so zu trauern, am vorabend noch gelacht zu haben und ausgelassen gewesen zu sein.
Meine position wurde mir just in dem moment bewusst, als wir alle eigentlich schon auf dem rückweg waren und die tochter des verstorbenen vor trauer zusammenbrach. Sie war immer wie eine schwester für mich gewesen, bis sie ca 600km weit weg gezogen war. Die trauer hatte uns nun wieder ein wenig mehr zusammengebracht, wie es schon immer in dieser familie war: in alle winde zerstreut, doch wenn etwas sein sollte, sind alle vereint. Doch nun war ich nicht mit ihr vereint. Sie war in den letzten tagen so stark gewesen und gab ihrer mutter wieder halt. Eine freundin, aus ihrer neuen heimat stützte sie nun, denn sie konnte nicht mehr gehen, die trauer ließ sie erbeben und schüttelte sie wie ein herbststurm noch nicht ganz welke blätter an einem baum. Wie gern hätte ich sie in den arm genommen und ihr trost spenden können, doch das konnte nicht einmal ihr mann- wo hätte dort mein platz sein können, zwischen all’ diesen trauernden, denen ich nicht zur seite stehen konnte?
Ich ging allein zurück zum auto zurück und blieb allein mit meinen gedanken.
Dieses jahr hatte schlecht begonnen. Schon 16 tage nach beginn hatte es einen trauerfall in meiner familie gegeben, der verstorbene war einen tag vor seinem 60. geburtstag tot aufgefunden worden. 2 wochen tiefster trauer seiner angehörigen und unzähligen unterstützenden tätigkeiten später sollte heute nun die trauerfeier mit anschließender urnenbeisetzung sein, die, auf wunsch seiner schwester und mutter, öffentlich war. Mir wollte niemand so richtig glauben, dass viele leute kommen würden und so waren sie alle recht überrascht den parkplatz des friedhofs so voll zu sehen.
Ich kannte weniger als ein viertel der leute, doch erfüllte es mich mit stolz zu sehen, wie viele menschen dem verstorbenen die letzte ehre erweisen wollten. Ich hätte mir lieber zeit genommen um den ganzen menschen, die gekommen waren, einen teil meiner aufmerksamkeit zu schenken. Wer waren sie? In welcher verbindung standen sie zu dem verstorbenen?, doch die oberste priorität dieses tages war die gleiche, wie die der letzten zwei wochen: seine engsten angehörigen waren vom störenden abzuschirmen, zu stützen und zu beschützen.
Seine mutter saß in einem rollstuhl, da sie es nicht ausgehalten hätte die ganze zeit laufen und stehen zu müssen- sie war in ihrer trauer gebrochen und es war kaum ein durchkommen zu ihr. Seine schwester lief umringt von ihrer familie, in dem versuch sie zu beschützen und ihr wärme zu geben, die sie in diesem moment nicht hätte ertragen können.
Es mutete eigenartig an, an der spitze des gesamten trauerzuges über den gesamten friedhof bis hin zur trauerkapelle zu laufen. Normalerweise genieße ich die atmosphäre, die sich über friedhöfe legt. In meinem empfinden war es immer so eine art stille seeligkeit. Doch mit meinem ersten schritt durch das tor des friedhofs legte sich ein gewicht auf meine seele.
Die trauergemeinde ging langsam, fast zögerlich, als traue sich keiner den anderen voran zu gehen und jeder nur auf des anderen schritte wartete. Es dauerte gefühlte zwanzig minuten bis alle, die sich setzen wollten, sich hingesetzt hatten und bis die, die sich an ihrem platz unwohl fühlten einen nach ihrem gutdünken besseren platz gefunden hatten. Während der ganzen zeit lief das lied ‚hinter dem horizont’ von udo lindenberg. Schlichtweg hohn in meinen ohren.
Die rede der trauerrednerin war von seiner schwester vorher schon stark eingeschränkt worden und trotzdem schaffte diese frau es ihre schwarz beschuhten füße in einige kleinere fettnäpfchen zu setzen. ‚sie, frau christa schildhauer, liebe mutter, erinnern sie sich noch wie es war, ihren sohn das erste mal in den armen zu halten?’ wie kann man denn bitte eine mutter an die geburt ihres sohnes erinnern wenn sie gerade in begriff ist, diesen zu grabe zu tragen? Die rede dauerte, obwohl sie die zwölfminutengrenze nicht überschritt, lang und barg noch einiger solcher schnitzer in sich und wurde zudem von weiterer musik, diesmal klasisch, unterbrochen. Mein herz jedoch verlangte nach anderem:
ES REICHT! SCHLUSS! AUFHÖREN! GENUG GEREDET! Es waren der worte zu viele gefallen, die angehörigen und der verstorbene selbst zu oft adressiert worden- ein gräuel. Doch hätte kein trauerredner der welt mich in diesem moment zufrieden stellen können, ich, die ich in diesem moment beschlossen hatte, meine trauerrede profilaktisch selbst zu schreiben!
Nach der rede und entsprechender aufforderung erhoben sich alle. die kinder, die frau, die schwester und die mutter des verstorbenen, die es während der rede vor trauer immer wieder haltlos geschüttelt hatte, gingen nun allen voran zum urnengrab. An sich lief alles wie erwartet ab, alle anwesenden, allen voran natürlich die engsten angehörigen, legten je eine blüte vor dem grab ab und griffen mehr oder minder tief in das streukörbchen. Ich wählte nur eine einzige blüte und stellte mich dann wieder zu den meinigen um meinen aktuellen prioritäten nachzukommen.
Die anteilnahme dieser verschiedensten leute rührte mich fast zu tränen, der einzige moment dieses tages, an dem ich fast geweint hätte. Doch hatte ich mir fest vorgenommen dies nicht zu tun, denn an diesem tag galt es nicht mich zu stützen und zu trösten, mein leid stand dem derer, die ich zu unterstützen suchte, hinten an, denn mein verlust war geringer. Man möchte sich ja fast schämen nicht so direkt betroffen zu sein, nicht so zu trauern, am vorabend noch gelacht zu haben und ausgelassen gewesen zu sein.
Meine position wurde mir just in dem moment bewusst, als wir alle eigentlich schon auf dem rückweg waren und die tochter des verstorbenen vor trauer zusammenbrach. Sie war immer wie eine schwester für mich gewesen, bis sie ca 600km weit weg gezogen war. Die trauer hatte uns nun wieder ein wenig mehr zusammengebracht, wie es schon immer in dieser familie war: in alle winde zerstreut, doch wenn etwas sein sollte, sind alle vereint. Doch nun war ich nicht mit ihr vereint. Sie war in den letzten tagen so stark gewesen und gab ihrer mutter wieder halt. Eine freundin, aus ihrer neuen heimat stützte sie nun, denn sie konnte nicht mehr gehen, die trauer ließ sie erbeben und schüttelte sie wie ein herbststurm noch nicht ganz welke blätter an einem baum. Wie gern hätte ich sie in den arm genommen und ihr trost spenden können, doch das konnte nicht einmal ihr mann- wo hätte dort mein platz sein können, zwischen all’ diesen trauernden, denen ich nicht zur seite stehen konnte?
Ich ging allein zurück zum auto zurück und blieb allein mit meinen gedanken.
Ich habe diesen Text erst jetzt entdeckt, genau wie deinen Blog, und vielleicht mutet es seltsam an, ihn so zu bezeichnen,aber: ein schoener text. nur als text betrachtet. weil er beruehrt.
AntwortenLöschenkater