‚Wandel‘ könnte man im Englischen mit ‚Change‘ übersetzen,
auch wenn es dafür sicherlich noch beeindruckendere Synonyme gäbe. ‚Change‘
heißt nun aber auch ‚Wechselgeld‘ und bestimmt noch einiges mehr. Sind die Veränderungen
unserer Leben also das Wechselgeld der Realität des Moments?
Idealismus weicht Pragmatismus, man führt bitterernste
Diskussionen über Satzanfänge deren zugehöriges Ende man überhaupt nicht kennt,
Erreichtes wird wichtiger als Erfahrenes. Was sind schon Streitgespräche in
einer Zeit, in der Telefone mehr wissen als Menschen? Wie kann man etwas in
Frage stellen, was noch nicht einmal beendet wurde und der Autor selbst vor
lauter werdenden Stimmen vergessen hat, was er eigentlich sagen wollte?
Kommunikation kann inzwischen so schnell sein, dass Spontanbesuche
auszusterben scheinen. Wann bin ich das letzte Mal unangekündigt bei jemandem
vorbeigegangen? Würde ich wollen, dass jemand unangekündigt vor meiner Tür
steht? Hat die Disziplin nachgelassen? Weichen die Rituale den Terminen? Wer
putzt heute schon noch alle 4 Wochen seine Fenster und hat Zeit für den
fünf-Uhr-Tee?
Es gibt Bücher und Zeitungsartikel, die prophezeien eine
Welt, die uns gibt- was wir wollen, oder besser gesagt, die uns gibt, wovon
führende Unternehmen überzeugt sind, dass wir es wollen (sollten). Schon jetzt
umgeben sich sehr viele Menschen mit selbst gewählten akustischen Umwelten. So
schwebt man dann in der eigenen Welt, ungestört von anderen Dingen, sicher und
beschützt und ganz und gar abgeschottet.
"Du schlägst die Zeitung auf, die letzte Seite heißt aus aller Welt
und beschreibt wie alles auseinander fällt" (Tele, irgendwann zwischen
2000 und 2010)
Benjamin Stein beschreibt in seinem
Roman "Replay" wie in der Zukunft die Menschen direkt über Implantate
mit dem Internet verbunden sind, die ihre Bedürfnisse erkennen und
undgefragt danach filtern und den Konsumenten damit füttern (vgl. Die
Zeit Nr. 32, Wirtschaft, S. 20).
Barbara Hambly schickt
einen ihrer Hauptcharaktere nach mehreren Höllen in eine Welt, ohne
Fenster-aber mit Reklameschirmen, die man nicht abstellen kann und die
die Miete steigen lassen, sollte man sie stumm stellen. Statt Nahrung, nimmt man Drogen zu sich- um die Leistungsfähigkeit zu erhalten und den drei Jobs nachgehen zu können, die man braucht, um sich die Drogen leisten zu können. Die Menschen sehen alle gleich aus und halten sich alle für individuell und einzigartig.
Ähnliche Szenarien in WallE usw.
Die Frage ist aber nicht ob diese Veränderungen gut schlecht
oder auch beides sind. Die Frage ist, ob wir bemerken würden, wenn wir uns zum
schlechteren Verändern? Wo ist die Grenze zwischen Akzeptanz, Toleranz und
Einschreiten? Geht das überhaupt, wenn man sich nicht sicher sein kann, alle
Randfaktoren zu kennen? Schließlich hat ja jeder Gründe für das, was er tut.
Und unterliegen wir nicht alle der gleichen medialen Flut von Idealen, deren
Erreichbarkeit propagiert wird, wenn man sich nur genügend anstrengt? Kann man
sich überhaupt noch als außenstehend betrachten?
Fest steht, dass der Moment oft selbst die Regie übernimmt.
Menschen scheinen häufiger zu reagieren, als dass sie vorher detailliert über
ihre Aktionen nachdenken. Was passiert und was übrig bleibt ist Teil des
Prozesses, den man Veränderung nennen mag. Je weltweiter das stattfindet, desto
einheitlicher wird es. Und wenn man nur noch umgeben ist, von Dingen, die man
sich selbst rausgesucht hat bzw. die nach einem speziell erstellten Profil
vorsortiert wurden, wo bleibt dann das wahrhaftig Neue? Oder gibt es einfach zu
viel davon und es MUSS eine Art Vorsortierung geben?
Persönlich bin ich dafür dem ganzen wieder etwas mehr Zeit
zu geben und weniger kontrollieren zu wollen. Besonders im Kleinen und
Zwischenmenschlichen. Es mag verträumte Spinnerei sein, aber bis jetzt hat es
immer mehr gebracht wirklich zuzuhören und ausreden zu lassen, als nur darauf zu warten, selbst endlich
zu Wort zu kommen und den eigenen Emotionen und Ansichten freien Lauf zu lassen…